AD(H)S

Kurzinformation



ADHS

(Aufmerksamkeits-Defizit-Hyperaktivitäts-Syndrom - oder -"Störung")
- auch ADS, englisch ADHD, ADD, veraltet HKS, MCD, in der Schweiz POS genannt -

ist die Abkürzung für eine Diagnose, welche gekennzeichnet ist durch
seit der Kindheit bestehende
- erhebliche Störungen der Konzentration und Daueraufmerksamkeit,
- erhebliche Störungen der Impulskontrolle und der emotionalen Regulation
- sowie fakultativ (=oft, aber nicht immer vorhanden) durch motorische Hyperaktivität bzw. Unruhe.

(Wenn keine Hyperaktivität vorhanden ist, dann wird das H in der Abkürzung weggelassen)


Diese Störungen müssen zu "klinisch bedeutsamen", dauerhaften und schwerwiegenden Problemen bei der Entwicklung der sozialen, schulischen und beruflichen Anpassung führen und mit einem deutlichen persönlichen Leidensdruck einhergehen. Die Probleme dürfen also zur Diagnosestellung nicht nur in einem bestimmten Lebensumfeld auftreten.

Vor allem ein unbehandeltes ADHS führt zu Problemverhalten in Schule, Familie und Freizeit. Sie kann zu Lernstörungen führen. Manchmal bewirkt sie auch delinquentes Verhalten und später auch Suchterkrankungen, Depressionen, Angststörungen und andere psychische Symptome oder Beziehungs- und Verhaltensstörungen. Es bestehen nicht selten Komorbiditäten (begleitende weitere Erkrankungen oder Behinderungen) wie etwa zum Gilles-de-la-Tourette-Syndrom oder zu Epilepsie.

ADHS wurde bereits im letzten Jahrhundert vom Frankfurter Psychiater Dr. H. Hoffmann im berühmten "Struwwelpeter" dargestellt. Nach dieser Darstellung wird es in Medien oft "Zappelphillip-Syndrom" genannt. Zu Unrecht, denn es wird dabei nicht berücksichtigt, dass bei vielen Betroffenen die auffällige Hyperaktivität nicht auftritt. Diese Menschen sind dadurch aber nicht unbedingt geringfügiger beeinträchtigt. Darum werden solche Menschen mit ihren Problemen oft nicht als Betroffene erkannt.
Der englische Kinderarzt Still hat zu Beginn des letzten Jahrhunderts dieses Störungsbild erstmals wissenschaftlich beschrieben: Nicht eine schlechte Erziehung oder ungünstige Umweltbedingungen sind für diese Störung verantwortlich, sondern eine angeborene Konstitution.
Dennoch können ungünstige Rahmenbedingungen die Schwierigkeiten Betroffener natürlich weiter verschärfen.
Heute gilt das ADHS und seine Behandlung als sehr gut erforscht.



DSM IV (Ein internationales diagnostisches Manual psychischer Störungen, herausgegeben von der WHO) fordert folgende diagnostische Kriterien für ADHS (vergleiche auch die bald hier aufgeführten offiziellen Diagnosekriterien für AD(H)S):

  • Kriterien der Unaufmerksamkeit
  • Viele Flüchtigkeitsfehler
  • Grosse Probleme mit der Daueraufmerksamkeit
  • PatientIn scheint häufig nicht zuzuhören
  • Bringt Sachen oft nicht zu Ende
  • Häufig Probleme mit der Selbstorganisation
  • Grosse Abneigung und Widerwillen, sich länger geistig anzustrengen
  • Häufiges Verlieren und Verlegen
  • PatientIn ist oft durch äussere Reize leicht ablenkbar
  • Ist im Alltag übermässig vergesslich
  • Kriterien der Hyperaktivität und Impulsivität (für die Diagnose fakultativ)
  • Ständige Unruhe und Zappeln mit Händen und Füssen
  • Häufiges Aufstehen; Unfähigkeit, sitzen zu bleiben
  • Häufiges, unangepasstes Umherspringen
  • Grosse Schwierigkeit, ruhig zu spielen
  • "Innerlich wie von einem Motor angetrieben"
  • Übermässiges Reden
  • Antwortet oft, bevor Frage vollständig gestellt wurde
  • Kann fast immer nur schwer warten, bis er/sie an der Reihe ist
  • Häufiges Stören und Unterbrechen anderer


  • Der Beginn dieser Symptome liegt im Kindesalter. Die Symptome müssen sehr ausgeprägt sein, die persönliche Entwicklung nachhaltig behindern, über mindestens sechs Monate hinweg anhalten und sich in unterschiedlichen Lebensbereichen (Kindergarten, Schule, Freizeit, zu Hause oder am Arbeitsplatz) manifestieren. Neue Untersuchungen weisen darauf hin, dass bei Mädchen und überdurchschnittlich intelligenten Kindern die ADHS-Symptome sich erst ab der Pubertät entwickeln können. Je nach Ausprägungsart der Störung unterscheidet DSM-IV zwischen dem Vollbild oder Teilstörungen mit vorwiegender Aufmerksamkeitsproblematik (ADS) bzw. Hyperaktivität/Impulsivität (ADHS).



    Verlauf:
    Lange wurde die ADHS als eine auf das Kindesalter beschränkte Entwicklungsstörung höherer Hirnfunktionen betrachtet. Das in der Schweiz etablierte POS-Konzept geht auch heute noch von dieser Erklärung aus. Untersuchungen zeigen aber, dass auch Erwachsene in ca. 50% aller Fälle weiterhin unter den Folgen dieser Störung leiden. Die hyperkinetische Symptomatik verschwindet zwar häufig (falls sie vorhanden war), die Aufmerksamkeitsprobleme (Zerstreutheit, Planungsprobleme, schlechtes Zeitgefühl), die emotionalen Störungen (Stimmungsschwankungen, innere Unruhe) und die Impulsivität halten jedoch an. Die ADHS-Symptome können zusätzlich psychische Erkrankungen wie Depressionen, Sucht- und Angsterkrankungen hervorrufen oder mit ihren einhergehen. Viele ADHS-Betroffene sind andererseits sehr kreative, spontane, intelligente und originelle Persönlichkeiten.

    Als Ursache für die ADHS wird heute eine genetisch bedingte neurobiologische Funktionsstörung im Bereich derjenigen Hirnabschnitte angenommen, welche übergeordnete Steuerungs- und Koordinationsaufgaben in der lnformationsverarbeitung des Gehirns übernehmen. Diese bewirkt, dass das Gehirn unwichtige innere und äussere Reize und Impulse schlecht hemmen und ausfiltern kann und sie führt schliesslich zu den bekannten Symptomen wie u.a. Ablenkbarkeit und Zappeligkeit. Neuere bildgebende Untersuchungen des Gehirns ADHS-Betroffener zeigen eine mangelnde Aktivität und Dysregulation in bestimmten Bereichen der Neurotransmittersysteme von Dopamin und Noradrenalin. Dies wiederum erklärt die seit Jahrzehnten bekannte positive Wirkung der medikamentösen Therapie mit Stimulanzien. Diese Medikamente normalisieren die neuronale Aktivität in den betroffenen Hirnabschnitten und verbessern dadurch die Filter- und Hemmfunktionen des Gehirns. Hierzu werde ich später noch eine genauere allgemeinverständliche Erklärung ergänzen).

    Die Diagnose wird durch die Erhebung der persönlichen und familiären Lebensgeschichte und die Verwendung strukturierter (Eltern- und Lehrer-) Fragebögen vor allem klinisch (d.h. aufgrund der Beobachtung und Auswertung der Symptome) gestellt. Eine ärztliche Untersuchung muss das Vorliegen von anderen Erkrankungen ausschliessen, welche für das Störungsbild verantwortlich sein könnten (z.B. Epilepsie, Funktionsstörungen der Schilddrüse). Eine neuropsychologische Untersuchung ist erforderlich, da Aufmerksamkeitsstörungen ein sehr häufiges Symptom verschiedenster Hirnfunktionsstörungen darstellt. Bei Bedarf wird zudem eine neurologische Untersuchung durchgeführt. Gegebenenfalls wird auch ein Intelligenztest veranlasst.

    Therapie:
    In ausgeprägten Fällen ist die Medikation mit Stimulanzien (z.B. Ritalin), meistens verbunden mit einer Verhaltenstherapie, als Behandlung der Wahl anzusehen. Diese Therapie kann im Kindes- und im Erwachsenenalter eingesetzt werden. Sie ist in ca. 80% der Fälle erfolgreich und verbessert im Sinne einer "chemischen Brille" die fokussierte Aufmerksamkeit und die Selbststeuerung (Verhalten und Emotionen). Die medikamentöse Behandlung hat sehr individuell abgestimmt zu erfolgen und kann sich über mehrere Jahre erstrecken. Suchtgefahr wird nicht nur in Laienkreisen, sondern auch von einigen Ärzten heute noch fälschlicherweise postuliert. Alle wissenschaftlichen Untersuchungen konnten jedoch die angebliche Suchtgefahr nicht bestätigen; im Gegenteil wird eine nachgewiesenermaßen bei unbehandelten AD(H)S-Betroffenen erhöhte Gefahr, später ein Suchtverhalten gleich welcher Art auszubilden, durch eine medikamentöse Behandlung auf das Normalrisiko reduziert.
    Ergänzend können je nach der individuellen Problemlage auch andere Therapien hilfreich sein, wie z.B. eine Verhaltenstherapie zur Entwicklung einer besseren eigenen Strukturierung. Diese sollten jedoch stets die für AD(H)S typischen Schwierigkeiten und Mechanismen mit berücksichtigen.

    Außerdem ist erwähnenswert, dass viele Menschen mit AD(H)S auf verschiedene Medikamente paradox reagieren können, so dass z.B. eine notwendige Sedierung oder eine Narkose eine besondere Vorgehensweise erforderlich machen kann.




    ___nach oben



    Inhaltsverzeichnis